Bundeswertungsrichter-Schulung in Aschaffenburg

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Bundeswertungsrichter-Schulung in Aschaffenburg

Zahlreiche Premieren bei der WR-S Lizenzerhaltsschulung

Etwa 160 Teilnehmende hatten ihren Weg zur Bundeswertungsrichter-Schulung nach Aschaffenburg gefunden, die nach der Absage des Lehrgangs in Braunschweig die einzige Gelegenheit in diesem Jahr war, den Erhalt der S-Lizenzen zu sichern.
Die erste Premiere konnte die frisch gewählte Bundeslehrwartin Petra Dres feiern, die zum ersten Mal diesen Lehrgang eröffnete und zwar mit den Worten: "Falls Sie mich nicht kennen, ich bin die Neue!"

Rüdiger Knaack

Das Jahresthema "Level of Energy" wurde bereits bei der letzten Lizenzerhaltsschulung in Braunschweig vorgestellt. In Aschaffenburg behandelte Standard-Bundestrainer Rudi Knaack dies mit Unterstützung der amtierenden deutschen Meister Yahor Boldysh/Irina Averina und der Vizemeister Karolis Burneikis/Fabien Lax.
Dabei erläuterte Knaack auf seine unnachahmlich humorige, aber stets hochkompetente Art, dass im Slowfox oft zu viel Energie zu früh und vertikal nach oben eingesetzt wird, anstatt diese zum richtigen Zeitpunkt wohldosiert in die richtige Richtung zu nutzen. Er ermunterte die anwesenden Wertungsrichterinnen und Wertungsrichter, es zu honorieren, wenn Paare auf dem richtigen Weg sind, auch wenn das Energielevel vermeintlich niedriger ist als bei den Paaren, die konstant auf dem Gaspedal stehen.
In seiner zweiten Lecture beleuchtete Knaack das Jahresthema im Tango. Hier wurde festgestellt, dass häufig durch falsches Nachmachen aus Social-Media-Videos viele seltsame Ideen entstehen und Paare zu hektisch tanzen. Stattdessen sollte der Tango hochgradig geschmeidig und von katzengleicher Softness geprägt sein. So findet durch einen permanenten Bewegungsfluss ein Aufladen statt, das irgendwann zu einer Entladung in Form einer plötzlichen Aktion führt.

Timo Kulczak

Eine weitere Premiere feierte Timo Kulczak, der zwar bereits im Vorjahr bei der Bundeswertungsrichter-Schulung referiert hatte, dies aber in diesem Jahr zum ersten Mal in seiner neuen Rolle als Bundestrainer für die lateinamerikanischen Tänze tat. Auch Kulczak standen die beiden bestplatzierten Paare der letzten Deutschen Meisterschaft als Demopaare zur Verfügung: Artur Balandin/Anna Salita und Daniel Dingis/Alessia-Allegra Gigli.
Am Beispiel der Rumba wurde verdeutlicht, dass ohne Energie zwar kein Tanzen möglich, maximale Energie aber trotzdem nicht erstrebenswert ist. Stattdessen sollte das Tanzen  leicht und gefühlvoll aussehen, fließend und elegant.
Dabei liegt es  in der Verantwortung der Wertungsrichterinnen und Wertungsrichter, dass nicht "höher, schneller, weiter" honoriert wird, sondern auf tänzerischen Grundlagen basierendes Tanzen, das Emotionen transportiert statt den Betrachter zu stressen.
Diese Grundidee wurde in Timo Kulczaks zweiter Lecture im Jive und im Paso Doble weiter verfolgt. Auch hier ist es wichtig, dass die Tänzer wissen, was sie machen und einen klaren Plan haben, damit das Tanzen entspannt aussehen und Emotionen transportieren kann. Dabei entsteht im Jive der Effekt der Energie durch Loslassen einer vorher aufgebauten Spannung.
Im Paso Doble wirkt sich die Rollenverteilung auf den Einsatz der Energie aus. So sollte der Herr generell souverän und ruhig sein (Präsenz und Dominanz statt Energie und Power). Die Dame, die meist die Capa verkörpert, sollte viele (aber nicht ausschließlich) weiche Bewegungen vertanzen.
Generell sollte das Paar sich bewusst sein, wann es "laut" und wann es "leise" tanzt, wobei letzteres überwiegen sollte, um emotionale Energie zu erzeugen.

Petra Matschullat

Petra Matschullat beleuchtete in der Samba verschiedene Körperaktionen. Dabei ging es sowohl um Rotationen im Oberkörper, um das Zusammenspiel von emotionalem Zentrum und Center of Gravity als auch um eine Lilt-Action, mit der eine neue Bewegung eingeleitet werden kann. Diese Elemente wurden bei verschiedenen Grundfiguren wie Promenade Runs,
Cruzado Walks, Bota Fogos, Voltas etc. gezeigt.
Oft versuchen Tänzer allerdings, zu viele Ideen in einer Figur unterzubringen, statt den Schwerpunkt auf einzelne Akzente zu setzen.
Trotzdem sollte man als Wertungsrichterin und Wertungsrichter auch offen sein für andere Interpretationen: "Alles, was gut aussieht, ist erlaubt!"

Pavel Kurgan

Die nächste Premiere waren die beiden Standard-Lectures von Pavel Kurgan, der zu seiner eigenen Überraschung vom Bundestrainer als Referent eingeladen war und diesen Vertrauensvorschuss mit zwei fantastischen Lectures bestätigte.
Dabei ging er im ersten Teil auf die Verwendung von Energie im Quickstep ein. Angefangen von statischer Energie (Aufbau von unten nach oben) über den Energieverlauf in der Bewegung (am Beispiel von Locks, Scatter Chasses und Step Hops) bis hin zum rechtzeitigen Umlenken von Energie in eine neue Bewegungsrichtung um die nächste Figur einzuleiten.
Im seiner zweiten Lecture behandelte er am Beispiel des Langsamen Walzers wechselnde Energieniveaus, mit denen selbst bei einfachen Grundfiguren kontrastreiches und interessantes Tanzen erzeugt werden kann.
Dabei sollten die verschiedenen Körperzentren genutzt werden, um mit der Musik zu spielen. Ein besonderes Augenmerk legte er auf das Vertanzen von Posen, die nur dann, wenn sie "lebendig" getanzt werden, Emotionen vermitteln.

Sergiu Luca

Die vierte Premiere des Wochenendes war die Latein-Lecture von Sergiu Luca, der ebenfalls zum ersten Mal beim Bundeswertungsrichter-Lehrgang referierte.
Sergiu Luca wies darauf hin, dass im Cha-Cha zu viel Disco-Musik gespielt wird, was zur Folge hat, dass das Level of Energy oft falsch verstanden wird. Letztlich limitiert falsche Musik (bei der es an Komplexität der Rhymthmik mangelt) die Tänzer. Denn durch die einfache Struktur wird das Tanzen auf mechanische Bewegungen reduziert, die zwar technisch korrekt sein können, denen aber die Emotionen fehlen.
Top Paare haben daher nicht das primäre Ziel, die Besten zu sein, sondern Komplexität in der Bewegung darzustellen.
Dabei werden unterschiedliche Arten von Energie genutzt, um dynamisch und spontan auf die Musik zu reagieren. Die Sinne sollten aktiviert werden, um unterschiedliche Instrumente zu vertanzen, Stimmung zu kreieren und mit Geschwindigkeitswechseln unterschiedliche Akzente zu setzen. Im Idealfall kommt noch die persönliche Note als Sahnehäubchen dazu. Denn wenn alle Tänzer*innen gleich tanzen und "Maschinen ohne Leben" erfolgreich sind, wird bald jeder so tanzen wollen und der künstlerische Aspekt des Tanzsports geht völlig verloren.

Udo Schmidt

Im überfachlichen Teil beleuchtete Udo Schmidt die Struktur von Musik. Angefangen vom Pulsschlag über Metrum, Taktart und Takt bis hin zu Phrasierung und Gliederung. Dies wurde im zweiten überfachlichen Teil fortgesetzt, in dem der Blick mehr auf die Details innerhalb eines Taktes gelenkt wurde.
Dazu wurden verschiedene Rhythmen (Full-beat, Half-beat split, Quarter-beat split, Swing und Shuffle) erklärt, die sich innerhalb eines Musikstückes auch abwechseln können. Das Highlight dieses überfachlichen Teils war sicherlich die Live-Demo, bei der einige mehr oder weniger freiwillig ausgewählte Teilnehmer*innen (nennen wir sie einfach den "Bundeswertungsrichter Social Club") mit sieben verschiedenen Percussion-Instrumenten gleichzeitig verschiedene Rhythmen spielten, aus denen sich ein komplexer Gesamtrhythmus ergab. Als Fazit folgte ein Appell des Referenten, mehr echte Musik mit echten Instrumenten einzusetzen.

Zum Abschluss des Lehrgangs präsentierten sich die Demopaare mit jeweils zwei Tänzen, die vom Fachpublikum mit frenetischem Applaus honoriert wurden.

von Robert Panther Uhr

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